12. Wolfener Filmtage

19. - 22. September 2024

Der Gründer, Kurator und Moderator der Reihe, der in Wolfen geborene Berliner Kulturwissenschaftler Paul Werner Wagner, präsentiert in diesem Jahr sechs zeigenswerte Spielfilme aus den Jahren von 1965 bis 1981. Alle Filme hatten ein ähnliches Schicksal – sie wurden von der SED-Parteibürokratie als zu gesellschaftskritisch angesehen, scharf verurteilt und nicht für die Öffentlichkeit zugelassen. Den Auftakt bildet Rainer Simons verbotener Film „Jadup und Boel“, der Anfang der 1980er Jahre verboten wurde und erst kurz vor dem Ende der DDR ins Kino kam. Zum Abschluss zeigen wir Heiner Carows Film „Die Russen kommen“, der sogar erst mit zwanzigjähriger Verspätung Premiere haben durfte.

Wie bei den bisherigen Filmtagen können wir wieder eine Reihe hochkarätiger Gesprächspartner in Wolfen begrüßen: den Regisseur Rainer Simon, den Kameramann und Regisseur Jürgen Brauer, die Filmexperten Prof. Michael Grisko, Dr. Andreas Kötzing, Mirko Wiermann und den Vorstand der DEFAStiftung, Stefanie Eckert.

Programm der 12. Wolfener Filmtage vom 19.9. – 22.9.2024

Verbotene Filme der DEFA

Donnerstag, den 19. September 2024 – 18:30  

Jadup und Boel (DEFA 1980/88, fa, 104 min)

Regie: Rainer Simon, Drehbuch: Paul Kanut Schäfer und Rainer Simon, Kamera: Roland Dressel, Musik: Reiner Bredemeyer, Darsteller: Kurt Böwe, Katrin Knappe, Gudrun Ritter, Käthe Reichel, Michael Gwisdek, Franciszek Pieczka, Christian Grashof

Im Vorfeld eines Jubiläums: Richtfest für eine Kaufhalle. Daneben stürzt eine alte Kate in sich zusammen. Aus den Trümmern fördert man eine Marxismus-Broschüre aus den Anfangsjahren der DDR zutage, mit einer Widmung des heutigen Bürgermeisters Jadup für ein Mädchen namens Boel. Dieser Fund weckt Erinnerungen. Damals war Boel als Flüchtling mit ihrer Mutter hier gestrandet. Boel wollte schön sein für Jadup, wollte von den Warzen an ihren Händen befreit werden. Das nutzte einer aus, den es heute noch gibt. Boel wurde vergewaltigt. Als Jadup (wie alle) sich nur für Tat und Täter und politische Auswirkungen interessiert, nicht aber für Boels Schicksal, verschwindet sie.

Der Film wurde nach der Fertigstellung verboten und kam erst acht Jahre später ins Kino. Das Lexikon des internationalen Films schreibt, es handele sich um einen ausdrucksstarken Versuch, sich in poetischer und zugleich realistischer Weise mit der jüngeren deutschen Geschichte und der Gegenwart auseinanderzusetzen.

Gesprächspartner: Rainer Simon (Regisseur)

Freitag, den 20. September 2024 – 18.30  

Der verlorene Engel (DEFA 1966/70, s/w, 60 min)

Drehbuch und Regie: Ralf Kirsten, Kamera: Claus Neumann, Musik: André Asriel, Darsteller: Fred Düren, Erika Pelikowsky, Erik S. Klein, Walter Lendrich, Agnes Kraus, Heidemarie Wenzel

Es geht um einen Tag im Leben des Bildhauers Ernst Barlach, den 24. November 1937, um einen Tag Man hatte Barlach zum freiwilligen Austritt aus der Akademie gedrängt und selbst seine Ehrenmale für die Opfer des Weltkrieges beschlagnahmt oder vernichtet. Vereinsamt und isoliert steht dieser große Künstler vor dem Ende seiner Tage, ahnend, dass seine künstlerische Heimat links war.

Der Film wurde nach dem 11. Plenum des ZK der SED verboten. Erst 1970 hatte er in gekürzter Form Premiere. Das Lexikon des internationalen Films nannte den Film eine in Spiel, expressiver Kamera und Regie bemerkenswerte Momentaufnahme einer Künstlerbiografie, verdichtet zur gleichnishaften Reflexion über das Verhältnis von Kunst und Macht.        

Gesprächspartner: Dr. Michael Grisko (Filmhistoriker)

 

Sonnabend, den 21. September 2024 – 18.30

Fräulein Schmetterling (DEFA 1966/2020, s/w, 68 min)

Regie: Kurt Barthel, Drehbuch: Christa Wolf, Gerhard Wolf, Kurt Barthel, Kamera: Hans-Jürgen Sasse, Claus Neumann, Musik: Peter Rabenalt, Darsteller: Melania Jakubiskova, Christina Heiser, Carola Braunbock, Milan Sladek, Herwart Grosse, Rolf Hoppe, Lissy Tempelhof, Carmen Maja Antoni, Hans Hardt-Hardtloff, Irene Korb

Ein poetisches Alltagsmärchen von Christa Wolf über die Sehnsucht nach persönlicher Entfaltung: Nach dem Tod ihres Vaters müssen sich die 18-jährige Helene Raupe und ihre kleine Schwester Asta in einer radikal veränderten Lebenssituation zurechtfinden. Helene wird von den Behörden an verschiedene Arbeitsplätze vermittelt, scheitert jedoch an den Erwartungshaltungen ihrer reglementierten Umwelt. Erst als sie lernt, ihren Träumen Ausdruck zu verleihen, kann sie sich gegenüber den Bevormundungen der anderen behaupten.             

Die Fertigstellung des Films wurde 1966 abgebrochen, er wurde verboten und wurde ins Archiv verbannt. 2019/20 erfolgte durch die DEFA-Stiftung eine erneute Rekonstruktion des Films, der die Intention des Regisseurs widerspiegelt.

Gesprächspartnerin: Stefanie Eckert (Vorstand DEFA-Stiftung)

Sonntag, den 22. September 2024 – 11:00        

Die Russen kommen (DEFA 1968/87), s/w, 96 min

Regie: Heiner Carow, Drehbuch: Claus Küchenmeister, Heiner Carow, Kamera: Jürgen Brauer, Darsteller: Gert Krause-Melzer, Rolf Ludwig, Lissy Tempelhof, Viktor Perewalow, Hans Hardt-Hardtloff, Horst Hiemer 

Frühjahr 1945 in einem kleinen Ostseebad. Täglich wird im Radio der Wehrmachtsbericht verkündet. Die Bewohner befürchten den Einmarsch der Russen. Fast siebzehn ist der junge Günter Walcher. Er glaubt noch an den Endsieg. Dafür ist er bereit bis zum heldenhaften Tod zu kämpfen, sein großes Vorbild ist der gefallene Vater. Er jagt einen geflüchteten Fremdarbeiter und nimmt dafür stolz das "EK II" entgegen. Dass der Dorfpolizist den Mann erschießt, als er sein Versteck verlässt, findet Günter jedoch nicht in Ordnung. Als die Sowjetarmee kurz darauf den Ort besetzt, wird Günter wegen Mordes an dem Fremdarbeiter verhaftet. Er beteuert zwar seine Unschuld, will aber nicht zum "Verräter" werden.

Gesprächspartner: Jürgen Brauer (Kameramann)

 

Schülerveranstaltungen im IFM:

Donnerstag, den 19. September 2024 – 9.00                     

Insel der Schwäne (DEFA 1981/83, fa, 89 min)

Regie: Herrmann Zschoche, Drehbuch: Ulrich Plenzdorf und Herrmann Zschoche nach dem gleichnamigen Roman von Benno Pludra, Kamera: Günter Jaeuthe, Musik: Peter Gotthard, Darsteller: Axel Bunke, Sven Martinek, Britt Baumann, Kerstin Reiseck, Christian Grashof, Ursula Werner, Dietrich Körner, Monika Lennartz

Der vierzehnjährige Stefan kommt aus einem Dorf in das Neubaugebiet Berlin-Marzahn, wo sein Vater (Christian Grashof) als Bauarbeiter tätig ist. Stefans lernt den ängstlichen Hubert kennen und stößt auf "Windjacke", der hinter seiner Jovialität gegenüber Erwachsenen seine schikanöse "Politik der Stärke und Erpressung" Jüngeren gegenüber versteckt. Und es gibt zwei Mädchen, die ihn mögen.

Ort der Handlung des Films ist das Berliner Neubaugebiet Marzahn. Der Film schildert die Lebenssituation von Jugendlichen in der DDR der 80er Jahre.  SED-Kulturverantwortliche warfen dem Film vor, die DDR-Realität werde verzerrt dargestellt, der Wohnungsneubau in der DDR zu einer „Beton-Welt“ herabgewürdigt. Der Film kam erst zwei Jahre nach seiner Fertigstellung mit Änderungen und Kürzungen ins Kino. 

Gesprächspartner: Mirko Wiermann (Deutsche Kinemathek)

Freitag, den 20. September 2024 – 9.00      

Denk bloß nicht, ich heule (DEFA 1965/90) s/w, 91 min)

Regie: Frank Vogel, Drehbuch: Manfred Freitag, Kamera: Günter Ost, Darsteller: Peter Reusse, Anne-Kathrein Kretschmar, Jutta Hoffmann, Hans-Hardt Hardtloff, Helga Göring, Herbert Köfer, Fred Delmare

Der Schüler Peter Naumann gilt als Rebell seiner Schule. Seine provokante Art und Sätze wie „Ich brauche die Republik nicht“ führen zur Relegation. Außer seiner Freundin Anne hält niemand zu ihm. Die zunehmende Isolation lässt ihn zu Anne aufs Land ziehen. Annes Vater, ein engstirniger LPG-Vorsitzender, ist strikt gegen die Beziehung. Peter hegt Rachegefühle gegen den Rektor, doch als seine Kumpel diesem auflauern, greift Peter ein – und bezieht selbst Prügel.

Dem Film „Denk bloß nicht, ich heule“ wurde auf dem 11. Plenum vorgeworfen, dass er ein völlig falsches Bild von der DDR und ihrer Jugend zeigt und ein Machwerk des Skeptizismus und Nihilismus sei. Erst 1990 erlebte der verbotene Film seine späte Premiere.

Gesprächspartner: Dr. Andreas Kötzing (Historiker)

 

Eintritt: 10 €
Dauerkarte für alle Veranstaltungen: 25 €


Ticketreservierung:
Tel.: 03494 6996040
E-Mail: ifm@anhalt-bitterfeld.de


Freie Karten können noch an der Abendkasse erworben werden.

Foto: Flyer 12. Wolfener Filmtage

Die Wolfener Filmtage werden seit 2002 durch den Förderverein „Industrie- und Filmmuseum Wolfen e. V.“ organisiert. Sie finden mit freundlicher Unterstützung durch die Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen-Anhalt, die Landeszentrale für politische Bildung Sachsen-Anhalt, das Kulturforum der Rosa-Luxemburg-Stiftung, den Landkreis Anhalt-Bitterfeld, die Wohnstätten Genossenschaft Bitterfeld-Wolfen, die Stadt Bitterfeld-Wolfen, Tageszeitung nd, die DEFA-Stiftung sowie den Verein der Bundestagsfraktion DIE LINKE e. V. statt.

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